Bigna, 19 Jahre, Holzfällerin: «Die Motorsäge ist für mich, wie wenn ich esse.»

Kaum eine Frau wird Holzfällerin. Bigna hat sich trotzdem dafür entschieden. Nun misst sich die 19-jährige in Luzern mit den Besten ihres Faches.

Leichter Nieselregen liegt in der Luft. Seit Stunden wartet Bigna, dass es losgeht. Sie trägt ihre Schnittschutzhose, die Säge liegt auf den Spänen vor ihr. Klappt alles, wie geübt, wird sie oben auf der Rangliste landen.

Plötzlich ein Signal, Bigna hebt die Säge an und zieht am Anlasser. Ein Dröhnen hallt über das Freigelände der Luzerner Messe. Sie visiert die 30 Stäbe, die zwischen ihr und dem Ziel liegen. Dann treibt sie ihre Kette in das frische Holz.

Der finale Wettkampf

Drei Stunden zurück. Bigna Waldmeier steht auf einer Wiese vor dem Wettkampfgelände und blickt auf die vielen Stände der Luzerner Forstmesse. «Hier merkst du mal, wie gut oder schlecht du etwas kannst», sagt die 19-jährige lachend.

Am ersten Tag hat sie bereits vier Disziplinen absolviert. Am Freitagnachmittag folgt ihr finaler Wettkampf. Er trägt den Namen «Entasten». 30 Äste spriessen aus einem waagrechten Stamm. Bigna soll sie absägen – möglichst schnell, möglichst präzise.

Wie das Video zeigt, wird sie dabei alles geben. Auch wenn es anstrengend ist. An die Gefahr der Motorsäge hat sie sich gewöhnt, sagt sie.

Die gebürtige Wädenswilerin hat sich zum ersten Mal für die Schweizermeisterschaften der Berufsholzfäller qualifiziert. Alle vier Jahre findet der Wettkampf auf der Luzerner Allmend statt.

Meisterschaften in Luzern

Rund 80 Teilnehmer aus der Schweiz sind dieses Jahr angereist, selbst das Nationalteam aus Japan hat es auf das Messegelände verschlagen. Nur eine weitere Frau steht neben Bigna auf der Teilnehmerliste.

Einen Mast möglichst zielgenau fällen, die Kette einer Motorsäge in wenigen Sekunden wechseln, Kombinations- und Präzisionsschnitte: die Disziplinen sind vielfältig. Fünf sind es insgesamt. Bei der Ausführung messen Kampfrichter Abweichungen auf den Millimeter.

Als der letzte nationale Wettkampf stattfand, war Bigna 15 Jahre alt. Und begann zu ahnen, dass sie einmal Holzfällerin werden könnte.

«Irgendetwas fasziniert dich im Wald doch immer»

«Ich bin durch Zufall drauf gekommen», erinnert sie sich. In einem Berufsinformationscenter hätten ihre Kollegen zu ihr gesagt: Forstwartin, das wär doch was für dich. «Mir war einfach wichtig, etwas Handwerkliches zu machen. Im Büro hocken ist nicht so mein Ding.»

Es folgte eine dreijährige Lehre in der Bündner Gemeinde Klosters. Seit einem Jahr arbeitet Bigna als ausgebildete Forstwartin im kleinen Dorf Elm im Kanton Glarus. «Viele denken, Forstwarte fällen nur Bäume. Aber sie pflanzen sie auch an, sie schauen auf den ganzen Wald.»

Bigna ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Für sie war der Wald schon immer ein spannender Ort. «Im Wald siehst du immer etwas Cooles, irgendetwas fasziniert dich doch immer.»

Forstwart – ein traditioneller Männerberuf?

Holzfällerin sein ist schweisstreibend. Nicht nur auf den Meisterschaften. Zu den Aufgaben gehören Holzen im Wald, Schnee räumen, Strassen unterhalten. «Es ist ein anstrengender Job, auch für Männer», sagt Bigna. «Vielleicht für mich noch ein wenig mehr.»

Pro Jahr schliessen rund 300 Lernende die Lehre zum Forstwart EFZ ab. Der Frauenanteil liegt zwischen 1 und 2 Prozent. Und hat sich seit 25 Jahren kaum verändert. Nur knapp 100 Frauen haben seit dem Jahr 1999 die Forstwartlehre abgeschlossen.

Bigna wünscht sich, dass auch Frauen erkennen, dass der Beruf für sie etwas sein könnte. «Ich will aber nicht einfach die Quote hochziehen, damit die Quoten hoch sind. Ich will, dass jeder machen kann, was er will.»

Für ihre Kollegen sei ihr Beruf nichts Spezielles, sagt die 19-jährige. «Ich werde nicht speziell behandelt, weil ich eine Frau in dem Beruf bin, aber auch nicht fertig gemacht.» Bei einem Schnuppertag in einem anderen Betrieb habe sie aber auch schon Diskriminierung erfahren. «Da bin ich dann einfach nicht hin», erklärt Bigna selbstbewusst.

Im Wald dabei hat die junge Holzfällerin ihre Motorsäge. Sie ist ihr über die Jahre vertraut geworden. «Die Säge ist für mich, wie wenn ich esse. Meine Gabel, mein Messer», sagt sie grinsend.

Auf den nationalen Meisterschaften in Luzern hat es dieses Jahr nur für den Platz 44 von 46 gereicht. Allerdings durfte sie bereits als 19-Jährige auf der Hauptliste antreten und nicht bei den U24.

Fachkräftemangel im Wald

Ob sie den Beruf ihr Leben lang machen kann, bezweifelt Bigna. «Mit den Jahren wird das anstrengend», meint sie. Nicht nur sie sieht das so, bestätigt Rolf Dürig von Codoc, einer Fachstelle des Bundes für die Aus- und Weiterbildung in der Waldwirtschaft.

«Viele Forstwarte wandern nach der Lehre in andere Berufsfelder ab.» Dort könne man mehr verdienen, habe bessere Karrierechancen oder bessere Arbeitsbedingungen, beobachtet Dürig.

Die Forstwirtschaft spüre daher den Fachkräftemangel. Das sei paradox, weil eigentlich genug Forstwarte ausgebildet werden. Insgesamt 1600 Forstwarte gibt es in der Schweiz, weniger als 1 Prozent sind Frauen.

Bigna selbst will weitermachen, «solange es geht». Sie sehe den Sinn hinter ihrem Beruf. Ausserdem liebt sie ihren Arbeitsort. «Im Wald siehst du etwas, schaust nach und hast Freude daran», sagt die junge Frau lachend.

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