Unbekannter drangsaliert Homöopathin – jetzt reicht es ihr

Eine Luzerner Homöopathin kämpft gegen diffamierende Kleber am Klingelschild. Die Polizei kann nichts tun, jetzt nimmt sie die Sache selbst in die Hand.

Versteckt in einem Hauseingang, eine Wollmütze auf dem Kopf, mit dunklen Augen, die den Eingang eines Altbaus taxieren: Cornelia Hischier liegt auf der Lauer. Jedes Mal, wenn eine Person an der Eingangstür in der Luzerner Neustadt vorbeiläuft, weiten sich die Augen der Luzernerin für einen Moment. Doch der, auf den sie wartet, zeigt sich nicht.

Cornelia Hischier ist Homöopathin und führt mit ihrer Schwester einen Kleinkrieg gegen eine unbekannte Person. Die 67-Jährige ist seit Monaten Opfer einer Schmutzkampagne. Nun wollen die beiden Frauen den Übeltäter auf frischer Tat ertappen. Wird es ihnen gelingen?

Wie das Leben der Luzerner Homöopathin eine Wende nahm

Alles begann im Februar 2024. Eines Morgens klebte an dem Klingelschild von Cornelia Hischiers Praxis ein Kleber mit den gedruckten Worten: «Uriellas Badewasser».

Uriella, bürgerlich Erika Bertschinger, wurde in der Schweiz bekannt als «Wunderheilerin» und umstrittene Sektenführerin, die in ihrer Badewanne heiliges Wasser anrührte und für Jahrzehnte die Schweizer Medienlandschaft unterhielt, bevor sie 2019 verstarb. «Mir war sofort klar, was der Sticker bedeuten sollte», sagt Cornelia Hischier heute.

«Das schmerzt wirklich sehr.»

Cornelia Hischier

Die Luzernerin teilt sich die Praxis in einem Eckhaus der Hirschmattstrasse mit einer Massagetherapeutin und ihrer Schwester, einer Shiatsu-Therapeutin. Als sie von dem Kleber erzählte, brodelte ihre Schwester. «Karin hat bei uns die Kampfstiefel an», beschreibt die Homöopathin ihre Charaktere. Sie selbst sei eher die Ruhige. 

Gemeinsam entschieden die ruhige und die kämpferische Schwester, dem Unbekannten entgegenzutreten. Es folgte ein monatelanger Kleinkrieg mit Stickern, der bis heute andauert. Hunderte Papierchen müssten es gewesen sein, schätzt Hischier. Dabei zieht sie aus ihrem Briefkasten einen Papierbogen, auf dem sie einige der Zettel mit Datum versehen gesammelt hat.

Nur ein Bruchteil der Zettelchen hat es auf dieses Papier geschafft.

Auf den Klebern der unbekannten Person – die fast täglich erneuert wurden, wenn die Schwestern sie abgekratzt hatten – standen Worte wie «Kurpfuscherei», «Quacksalberei» oder auch «Wirkt nicht mehr als Placebo» und ein QR-Code zu einem Zeitungsartikel über die wissenschaftlich nicht nachgewiesene Wirkung pflanzlicher Mittel.

Auf den Zetteln der Schwestern stand: «Wir lieben dich auch» und «Wadenbeisser». Dann ein «Meld dich bei uns» und «Die Polizei übernimmt das jetzt». Als der Zettelkrieg auch im Juni nicht abflaute, ging die Homöopathin zur Polizei.

Luzerner Polizei kann gegen Drangsalierung nichts tun

«Dort sagten mir die Polizisten, dass die Person ein Delikt begeht. Sie könnten aber keine Überwachung veranlassen», erzählt die Luzernerin. Sie sitzt nun auf einem Stuhl in der Küche ihrer Praxis und hält einen Becher Kaffee in den zittrigen Händen. Zwei Stunden lang hat sie an diesem Morgen in der Kälte vor der Praxis Wache gehalten. Wieder einmal umsonst.

Sie habe die Polizisten gefragt, ob sie eine Kamera installieren dürfe. Das wurde ihr nicht erlaubt. Dann habe sie vorgeschlagen, das Metallklingelschild unter Strom zu setzen, wie den Zaun einer Weide.

Keine gute Idee, sagt sie und kneift die Augen zusammen – offensichtlich nur ein Scherz. Doch ihr Humor kann nicht verbergen, wie sehr die monatelangen Angriffe die 67-Jährige, die nur noch ein bis zwei Patienten pro Woche behandelt, belasten. «Die Situation macht mich traurig, vor allem am Ende meiner Karriere. Das schmerzt wirklich sehr», sagt sie. Auch weil die Kritik an ihrem Beruf wieder zunimmt.

Nationalrat will Globuli aus der Grundversicherung schmeissen

Nach einer eindeutig positiven Abstimmung in den 2010er-Jahren nahm der Bundesrat die Homöopathie und vier andere alternative Heilmethoden 2017 definitiv in die Grundversicherung auf. Seither können Ärzte mit homöopathischer Zusatzausbildung über die Grundversicherung abrechnen. Nichtärztliche Behandlungen wie jene von Cornelia Hischier zahlen viele Zusatzversicherungen.

Jetzt kommt dieses System unter Druck. Anfang Jahr hat eine Privatperson ein «Umstrittenheitsverfahren» beim Bundesamt für Gesundheit angestossen, das noch andauert. Die Verantwortlichen einer SRF-Sendung zu diesem Vorgang mussten sich im Anschluss anhören, zu Homöopathie-freundlich berichtet zu haben. Der Sender wies die Programmbeschwerden zurück.

Im Herbst nahm der Nationalrat dann einen Vorstoss an, der komplementärmedizinische Leistungen in der Grundversicherung zur freien Wahl stellen will. Jeder soll selbst entscheiden dürfen, ob die eigene Grundversicherung Komplementärmedizin deckt. Der Bundesrat lehnte die Idee ab – auch weil die Kosten solcher Behandlungen im Vergleich gering seien.

Von den 40 Milliarden Franken Gesamtkosten der Grundversicherung flössen nur 18 Millionen Franken in die Komplementärmedizin, und davon nur 10 Millionen in die Homöopathie, wie die «NZZ» schreibt. Globuli kosten die Versicherungen somit 0,025 Prozent der gesamten Ausgaben für die Grundversicherung. Als Nächstes wird der Ständerat über den Vorstoss entscheiden.

Warum die Wirkung von Homöopathie so schwer nachweisbar ist

Die aufgeheizte Stimmung im Land zeigt auch in Luzern Wirkung: Cornelia Hischier habe sich schon lange vor dem Zettelkrieg drangsaliert gefühlt – allerdings von Politikern und Behörden. «Uns Homöopathen und Naturheilkundlern lässt man in der Schweiz kaum Luft zum Atmen.»

Sie sei sehr gut ausgebildet, habe eine Grundausbildung als Heilpraktikerin, zwei Jahre Lehre an einer Schule für Homöopathie, danach zwei Jahre Assistenz dort. Dass die Wirkung der Homöopathie bisher wissenschaftlich nicht bestätigt hätte werden können, überrascht sie nicht.

An diesem Tisch berät die Homöopathin ihre Patientinnen.

«Homöopathie funktioniert nicht wie eine Kopfschmerztablette.» Teils trete die Wirkung später ein, teils müssten Therapeutinnen verschiedene Mittel ausprobieren. «Dass Homöopathie wirkt, ist für mich sonnenklar.» Sie habe in 30 Berufsjahren genug Beispiele für Verbesserungen erlebt.

Eine Schwierigkeit für die Forschung ist, dass die Wirkstoffe in Globuli teilweise bis zur Unmessbarkeit verdünnt sind. Neue Studien kämen dennoch zum Schluss, dass homöopathische Präparate «spezifische Wirkungen zeigen, die sich von Placebo unterscheiden», schreibt die Universität Bern. Man könnte also sagen: Eine Wirkung von Globuli kann nicht nachgewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden.

Und die Drangsalierung an der Haustür: Erleben auch andere Homöopathinnen solche Attacken? Drei nationale Verbände für Homöopathie verneinen das auf Anfrage von zentralplus und sprechen von einem Einzelfall in Luzern.

Luzerner Homöopathin will Täter auf frischer Tat ertappen

Cornelia Hischier nimmt sich für die Eskalation ein Stück weit selbst in die Verantwortung. «Wir haben vielleicht den Fehler gemacht, auf die Sticker zu reagieren.» Eine andere Praxis für Homöopathie im Quartier habe ebenfalls einen Sticker am Klingelschild gehabt, aber nie entfernt. Dort herrsche nun Ruhe.

Sie aber ist einen anderen Weg gegangen – und will den Übeltäter nun stellen. Cornelia Hischier schnuppert damit Erfahrungen als Kämpferin, ein Charakterzug, den sie vor dem Zettelkrieg nur ihrer Schwester zugeschrieben hatte.

Seit etwa einer Woche liegt sie nun frühmorgens auf der Lauer, mit Wollmütze und Wolljacke, und hofft, dass sich der Unbekannte zeigt. Auch ihre Schwester und Freunde sollen bald Schichten übernehmen. «Ich stelle mir einen älteren Menschen vor, aber ich weiss es nicht», sagt die Homöopathin. Sie werde ihn auf frischer Tat filmen – und vielleicht sogar zur Rede stellen.

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