Mutlos, so bezeichnet der Autor die neue Strategie des Kantons Zug für mehr Wohnungen im ausgedörrten Kanton. Dabei ist der Ist-Zustand niederschmetternd. Und Vorbilder wären in greifbarer Nähe.
Die wohnpolitische Strategie 2030 der Zuger Regierung ist eine Enttäuschung. Nicht, weil die Vorschläge der Zuger Regierung für mehr Wohnungen falsch wären. Einsprachen und Auflagen sind tatsächlich ein riesiger Bremsklotz beim Wohnungsbau. Schnellere Verfahren und weniger Hürden sind daher sinnvoll.
Die am Donnerstag veröffentlichte Strategie für mehr Wohnungen, mehr günstige Wohnungen und mehr Wohnungen für «ansässige» Zuger enttäuscht, weil sie mutlos ist.
Und dies zu einem Zeitpunkt, der Mut verlangt. Von den rund 60’000 Wohnungen im Kanton Zug stehen nur 240 frei. Der durchschnittliche Mietzins liegt bei fast 3000 Franken. Und keine fünf Prozent der Zuger können sich eine Eigentumswohnung leisten. Obwohl Löhne und Vermögen in Zug bereits hoch sind, ziehen viele in günstigere Nachbarkantone.
Der Mittelstand kann kaum noch Wohnraum finden, das gesteht sich selbst die Regierung am Donnerstag ein. Und doch sieht ihre Strategie keine griffigen Massnahmen dagegen vor. Wohnungsbau soll freiwillig geschehen, Landbesitzer sollen Gemeinden Grundstücke verkaufen, wenn sie es denn wollen. Bloss nicht einmischen, lautet das Credo des freisinnigen Baudirektors.
Dabei ignoriert die Zuger Regierung, dass es viele Orte in der Schweiz gibt, indem eine Einmischung des Staates in den Markt Wohnkrisen entschärfen konnte.
Anderenorts nutzt der Staat seine Möglichkeiten
Zum Beispiel in Lausanne. Seit 2020 nutzt die Stadt das Vorkaufsrecht und erwirbt Gebäude, um sie der Spekulation zu entziehen. Stadtpräsident Grégoire Junod resümierte diesen Sommer, das Vorkaufsrecht sei ein wichtiges Instrument in einem gesättigten Wohnungsmarkt. Weitere Waadtländer Gemeinden kennen das gleiche Recht.
Auch in Zug wird ein Vorkaufsrecht für Gemeinden gefordert. Und ein Fonds zum Bau günstiger Wohnungen. Dahinter steckt die lauteste Oppositionspartei: Die Alternative – die Grünen (ALG). Ihr Co-Präsident Luzian Franzini ist schwer enttäuscht von der neuen Strategie. «Jahrelang hat uns die Regierung beim Thema Wohnraum hingehalten, mit Verweis auf die Planung ihrer Strategie. Nun gibt es praktisch nur Kosmetik», sagt er am Telefon.
Und tatsächlich: Die 19 vorgeschlagenen Massnahmen und Änderungen im Bau- und Planungsgesetz sowie im Wohnraumförderungsgesetz lesen sich wie die Folien einer Mastervorlesung im Baurecht. Im Kleingedruckten wird für Bauträger das Bauen erleichtert. Künftig darf man höher bauen, mehr bauen und kriegt seine Bewilligungen schneller durchs Bauamt.
Wie gesagt: Das ist alles gut und richtig. Aber eben nicht der grosse Wurf, den viele erwartet hatten und der doch so bitter nötig gewesen wäre. Und möglich in einem Kanton, dessen Eigenkapital seit zehn Jahren rasant wächst und bald bei drei Milliarden Franken liegen dürfte – dem Bruttoinlandprodukt eines kleinen Landes.
Doch dieser kleine, reiche Kanton fürchtet, dass jeder staatliche Eingriff in den Wohnungsmarkt zu «Investitionsstopps» und «Preistreiberei» führen wird. Mit den gleichen düsteren Prophezeiungen musste bereits die SP der Stadt Zug kämpfen.
In der Stadt Zug wurde das Experiment gewagt
Bei jeder Verdichtung müssen 40 Prozent der neuen Wohnfläche preisgünstig sein. Das ist mal eine knallharte Forderung. Letzten Sommer stimmten die Stadtbürger der 2000-Wohnungs-Initiative zu. Der in Zug kleinen SP gelang damit der politische Coup des Jahres. Und haben die Investoren die Stadt seither sturmartig verlassen? SP-Politiker Rupan Sivaganesan sagt Nein: «Die Bauunternehmer sind bereit dazu. Einen Baustopp gab es nicht. Zug ist genug attraktiv.»
Noch gelten die Regeln der 2000-Wohnungs-Initiative nicht. Wenig deutet aber darauf hin, dass Investoren der Stadt den Rücken kehren werden. Ebenso würde wohl auch ein Vorkaufsrecht für Gemeinden Bauträger nicht abschrecken, nach lukrativen Grundstücken im Kanton Zug Ausschau zu halten. Herausfinden wird es der Kanton aber nicht.
Er hat sich entschieden, mutlos zu handeln. Der Pioniergeist, der den Kanton beim Thema Blockchain, KI und autonomer Mobilität durchströmt, lässt beim Thema Wohnraum zu wünschen übrig.
- Interview mit Stadtpräsident Grégoire Junod
- Telefongespräche mit Rupan Sivaganesan und Luzian Franzini
- Teilnahme an der Medienkonferenz zur wohnpolitischen Strategie 2030