Der Schweizer Tempel des Feuerwerks steht in Luzern

Drei von vier Schweizern wollen lautes Feuerwerk verbieten lassen, schrieben diese Woche die Medien. Was wäre die Folge? Auf der Suche nach Hobbypyromanen und Menschen, deren Existenz am Feuerwerk hängt.

An einer Kantonsstrasse weit hinter der Stadt Luzern, zwischen einem alten Schiessstand und grünen Wiesen, steht ein lila Tempel des Feuerwerks. An seinem Giebel formen Lettern, wie sie sonst Spielhöllen und Hotels in Las Vegas zieren, das Wort Bugano.

Die Bugano AG ist nach eigenen Angaben der grösste Produzent für Feuerwerk in der Schweiz. Auf dem Gelände zwischen Neudorf und Beromünster stehen lila Werkhallen, Büros und ein Pavillon, dessen Säulen und Dach an einen Tempel erinnern. Er ist für die 26 Mitarbeiter, die bei dem Luzerner Unternehmen Feuerwerk herstellen.

Gleich daneben, wo sonst ein Parkplatz ist, hat die Firma für vier Tage ein weisses Zelt aufgebaut. Es ist Mittag, ein Tag vor Silvester. Die Sonne scheint, Autos halten, bequem gekleidete Menschen gehen durch den Spalt hinein. Wer rauskommt, hat lila Tüten in der Hand, aus denen Raketen hervorlugen.

Vor Silvester wird im Zelt verkauft – mit Erfolg

«Seit drei Jahren verkaufen wir vor Silvester und dem 1. August im Zelt Feuerwerk», erzählt Daniel Bussmann, der Geschäftsführer der Firma. Früher habe sein Unternehmen nur Grosskunden beliefert. Dann seien viele ausgestiegen, wie die Migros Zentralschweiz im Jahr 2019. «Jetzt verkaufen wir selbst.»

Das Verkaufszelt steht vom 28. bis 31. Dezember vor der Firma.

Mit Erfolg, wie er sagt. Innerhalb von drei Jahren hätte sich der Umsatz an den zwei Feiertagen verdoppelt. Denn das Verkaufszelt ist auch am 30. Dezember nie leer. Ein Bub hängt am Jackenzipfel seines Vaters und zeigt auf eine Rakete mit einem apfelgrossen Kopf. «Können wir die kaufen?» «75 Franken», sagt der Vater. «Zu teuer für einen Knall. Nehmen wir lieber einen Topf.»

Ein Topf feuert eine ganze Salve von Raketen ab. Die kleinen Modelle gibt es im Zelt für 90 Franken, grössere für rund 180 Franken. Sie würden aus China stammen, erzählt Daniel Bussmann. Ebenfalls aus dem Ausland, nämlich aus Deutschland, kommen die Körper der Raketen. In Luzern fügt seine Firma den Holzstab und das Etikett hinzu.

Besonders beliebt an Silvester sind sogenannte Töpfe.

Stolz ist der Geschäftsführer, dessen Vater die Firma im Jahr 1987 gegründet hat, auf die Vulkane. «Die sind hundertprozentig ein Schweizer Produkt.» Salpeter, Magnesium, Holzkohle, Titan, Silber und mehr stecken in den funkenspeienden Trichtern.

Firma organisiert das Luzerner Neujahrsfeuerwerk

Daniel Bussmann ist ein positiver Mensch. Das sagt er selbst von sich, und so wirkt er. Während der «Saison», also vor Silvester und dem Bundesfeiertag, arbeitet er auf Hochtouren. Aus 26 Angestellten werden dann für kurze Zeit über 50, die ausliefern, verkaufen und Feuerwerke vorbereiten.

Zum Beispiel am 1. Januar in Beckenried. Dann baut die Firma auf einem Schiff das Feuerwerk auf, das um 20.15 Uhr zum 15. Mal über der Luzerner Seebucht in die Luft steigen wird. 16 Minuten, 520 Zündungen, 4 Bilder, so das Konzept. Die 40’000 Franken Kosten für das Neujahrsfeuerwerk zahlen verschiedene Hotels inklusive des Schweizerhofs.

Das Neujahrsfeuerwerk in Luzern vergangenes Jahr.

Dessen Direktor, Roman Omlin, erklärt gegenüber zentralplus, dass «die grosse Mehrheit der Bevölkerung weiterhin hinter einem koordinierten, grosszügigen und einmal im Jahr stattfindenden Feuerwerk steht». Möglich. Doch Feuerwerk gerät auch unter Druck.

Stimmen gegen Feuerwerk werden lauter

Mit 137’193 Unterschriften wurde die Feuerwerksinitiative im Herbst für gültig erklärt. Sie fordert ein Verbot von lärmigen Feuerwerkskörpern. Nur noch Anlässe von überregionaler Bedeutung sollen Bewilligungen zum Knallen erhalten. Corinne Meister vom Initiativkomitee sagte zu «Watson» kürzlich: «Jede Branche muss sich neuen Anforderungen stellen. Jetzt ist es höchste Zeit, dass auch die Feuerwerksbranche sich zeitgemäss entwickelt.» Die Lärm- und Luftbelastung störe Menschen und Tiere.

Ob die Initiative vor dem Volk bestehen kann? Eine nach eigenen Angaben repräsentative Umfrage von «Watson» zeigte, dass 76 Prozent der Schweizer Bevölkerung lautes Feuerwerk für Private verbieten wollen. Für die Bugano AG wäre es das Ende, sagt Geschäftsführer Daniel Bussmann. Doch nicht nur das.

Der Inhaber und Geschäftsführer der Bugano AG, Daniel Bussmann.

«Es wäre das Ende für die Feuerwerksbranche in der Schweiz. Und auch für die grossen öffentlichen Feuerwerke», ergänzt er. Denn was ein Feuerwerk mit überregionaler Bedeutung sei, sei unklar. Er fürchtet, dass seiner Firma die Aufträge wegbrechen würden. Nicht nur er: Auch ein Luzerner Verein von Feuerwerksverrückten fürchtet die Initiative (zentralplus berichtete).

Die Pyromantiker sind Liebhaber des Feuerwerks

«Wir sind ein Verein, der Feuerwerksshows komponiert», erzählt Beat Sigrist, Präsident der Pyromantiker Luzern. Komponiert? «Ja», meint der 49-jährige Elektroingenieur. «Es gibt Musik dazu. Ausserdem haben wir uns auf das Barockfeuerwerk spezialisiert.»

Das Barockfeuerwerk sei keine herkömmliche Knallerei, sondern «bodengebunden» und eher leise, erklärt er. Vulkane und rotierende Fontänen gehören dazu. Dem Barockfeuerwerk gegenüber steht das Höhenfeuerwerk: Hier werden Bomben aus explosivem Material und Karton in die Luft geschossen. Raketen quasi.

Beim Barockfeuerwerk sausen die Funken vom Boden aus.

«Ein schönes Feuerwerk braucht einen guten Mix aus beidem», sagt Beat Sigrist, der seine Liebe zum Feuerwerk erst mit über 30 Jahren entdeckt hat. Die Feuerwerksinitiative besorgt ihn. «Für uns geht das in Richtung Berufsverbot. Es ist fraglich, ob wir als Verein noch existieren könnten.» 26 Mitglieder zählen die Pyromantiker derzeit.

Lärm, Feinstaub, Abfall: Auch das gehört zum Feuerwerk

Sigrist hat eine einfache Lösung statt eines Verbots. «Einfach das bestehende Gesetz anwenden und durchsetzen.» Schon heute sei lautes Feuerwerk nur an Silvester und am 1. August erlaubt. Sonst ist es verboten oder bewilligungspflichtig. Auch Daniel Bussmann von Bugano ist gegen ein Verbot. «Wenn etwas verboten ist, wird es noch interessanter.» Er glaubt, dass der Handel mit illegalen Böllern aus dem Ausland zunehmen würde. Aber was ist mit dem Abfall, den Emissionen und dem Lärm?

«Lärm zu reduzieren, ist sehr schwierig», sagt Bussmann. Mit dem Knall werde das Pulver verteilt. Wegen des Abfalls würden Hersteller heute aber auf Karton und nicht Plastik setzen. Ausserdem sei die Feinstaubbelastung geringer, als viele dächten. Wie rasch die Feinstaubbelastung nach dem Feuerwerk nachlasse, hänge vor allem von den Wetterverhältnissen ab, schreibt «SRF». Durchschnittlich werde der Feinstaub nach rund zwei Wochen via Regen aus der Atmosphäre gewaschen.

Gibt es Alternativen?

Feuerwerk bleibt also laut und Feinstaub produziert es auch: Warum nicht einfach Licht-, Wasser- oder Drohnenshows veranstalten? Für Daniel Bussmann, Feuerwerksunternehmer in zweiter Generation, würde sich schlicht alles auf den Kopf stellen. Auch den Präsidenten der Pyromantiker, Beat Sigrist, kann der Vorschlag nicht überzeugen.

Drohnenshows seien meist kurz, teuer und bräuchten viel Platz, erklärt er. «Ausserdem gibt es ein Gefahrenpotenzial, wenn 400 Drohnen auf einen Schlag vom Himmel stürzen.» Das sei in China bereits passiert. Im Verein habe er kürzlich ein Video davon gesehen.

  • Telefonat mit Beat Sigrist, Präsident der Pyromantiker Luzern
  • Augenschein bei der Bugano AG
  • Gespräch mit Daniel Bussmann, Geschäftsführer der Bugano AG
  • Schriftlicher Austausch mit Roman Omlin, Direktor des Hotels Schweizerhof
  • Artikel im «Watson»
  • Artikel in «SRF»
  • Website der Feuerwerksinitiative

Hinterlasse einen Kommentar